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Warum Kinder die Natur brauchen

Raus aus dem Haus und rein in die Natur!

Richards Louvs Buch „Last Child in the Woods - saving our children from nature deficit-disorder" hat weltweit enormen Zuspruch erfahren. Die niederländische Regierung übernahm sogar die Kosten für eine Übersetzung vom Englischen ins Niederländische, was von der Wichtigkeit dieses Buches zeugt.

Nachfolgend werden einige von Louvs Kernaussagen wiedergegeben:

 

- Die Umweltbildung befasst sich zunehmend mit größer werdenden, globalen Problemen, dies kann zu einer emotionalen Überforderung der Lehrenden führen; sie sind sich globaler Umweltprobleme durchaus bewusst, es fehlt ihnen aber der physische Kontakt zur Natur - das Naturerlebnis. Deshalb werden Umweltprobleme als Angst erregend und abstrakt wahrgenommen. 


- Kinder verlieren zusehends den Bezug zu unstrukturierter Natur, da diese drastisch abnimmt und Eltern Angst davor haben, ihre Kinder unbeaufsichtigt im Freien spielen zu lassen.


- Kinder wissen nicht mehr, woher ihre Nahrung stammt. 


- Die biologische Absolute (ein Tier ist ein Tier; ein Mensch ist ein Mensch) wird unter anderem durch die Möglichkeit des Klonens mehr und mehr verwischt.


- Tiere werden von Kindern überintellektuell wahrgenommen, daraus ergibt sich die Hoffnung, dass ein tieferes Verständnis für Lebewesen und Lebensräume entsteht.

 

Eine solche rein intellektuelle Betrachtung kann allerdings nie den aktiven Naturkontakt ersetzten, sondern nur ergänzen. Naturkundliches Wissen wird nicht als völlig überholt angesehen. So ist es beispielsweise wichtig, dass Kinder Tiere und Pflanzen namentlich benennen können, denn nur Lebewesen mit Namen zählen zur moralischen Gesellschaft und werden dementsprechend würdig/respektvoll behandelt.

 

Louv hat amerikanische Kinder befragt, was Natur für sie bedeutet. Ein Großteil der Kinder verbindet mit der Natur einen Ort der ihnen die eigenständige Entwicklung, losgelöst von ihren Eltern, ermöglicht bzw. einen Ort an dem sie selbstständig Erfahrungen sammeln können. Durch den Gebrauch aller Sinne erweitern die Kinder ihren Erfahrungshorizont auf kreative Weise.

Fehlen solche Orte bzw. die Zeit für das freie Spiel, drohen Wahrnehmungsstörungen, Aufmerksamkeitsstörungen, Stress, Hyperaktivität, psychische Störungen usw. Umgekehrt lässt sich festhalten, dass bei vermindertem Naturkontakt solche und ähnliche Erkrankungen auftreten können.

 

Louv führt an, dass der durchschnittliche Amerikaner heute täglich 101 Minuten im Auto verbringt, für sportliche Aktivitäten in der Natur werden durchschnittlich lediglich 5 Minuten täglich aufgewendet. An dieser Tatsache lässt sich erkennen, dass für Erwachsene die direkte Naturerfahrung mehr und mehr unwichtig wird und sich gleichzeitig die Kinder von der Natur entfernen. Louv stellt dar, dass die Vorbildwirkung bezüglich der Begeisterung für die Natur von Erwachsenen enorm wichtig für die Kinder ist.

 

Andreas Weber, ein deutscher Biologe, spricht davon, dass der Aufenthalt in der Natur ein menschliches Urbedürfnis ist. Ohne Naturbezug verringere sich die Fähigkeit zur Empathie, die Lebensfreude und die Kreativität, so Weber. Jeder Mensch habe ursprünglich ein gesundes, gutes Verhältnis zur Natur und allem Lebendigen (Biophilie). Das ist zum Beispiel daran zu merken, dass die meisten Kinder schon ziemlich früh Tiernamen verwenden und sich mit dem Verhalten von Tieren aktiv beschäftigen. In unserer heutigen Gesellschaft kann sich dieses positive Verhältnis aber leicht zum Negativen wenden (Biophobie), Gründe hierfür sind zum Beispiel übertriebene Vorsicht der Eltern oder das Nichtvorhandensein von betretbarer Natur in der näheren Lebensumgebung. Außerdem werden Kinder heute vermehrt wie Projekte behandelt; für wirklich freie Zeit bleibt da wenig Raum. Aber gerade diese freie Zeit zum eigenständigen Experimentieren und Erfahrungen sammeln wäre für die kindliche Entwicklung wichtig, wird doch dadurch die eigenständige Persönlichkeit gestärkt. Werden Kinder danach gefragt, wie sie Freizeit definieren, tritt vielmals zu Tage, dass sie zum Beispiel die wöchentliche Gitarrenstunde als Pflicht empfinden. Louv bezeichnet dieses durchstrukturierte Durchplanen der Freizeit (oftmals durch die Eltern) als „killing dream time" und meint damit, dass die Zeit zum Träumen verloren geht.

 

Wichtig wäre die Angst, die eigenen Kinder unbeaufsichtigt vor der eigenen Haustüre spielen zu lassen, vieler Eltern zu überwinden, denn diese Angst verunsichert Kinder nachhaltig. Es gilt den Kindern klar zu machen, wem sie vertrauen können, das alleinige Warnen vor Gefahren hat keinen positiven Effekt. Für Schulen empfehlen sich langfristige Partnerschaften mit Bauernhöfen, Nationalparks etc., um davon wegzukommen, lediglich einmal jährlich (meist zu Schulanfang oder Schulende) eine „Standardführung" mitzumachen. Außerdem sollte in den Schulen vermehrt auf spielerische Lernweisen Wert gelegt werden, dies muss natürlich altersabhängig geschehen.

 

 

Finnland, das oft zitierte Vorbild was das Schulsystem betrifft, investiert nicht, wie man vielleicht meinen würde, Unmengen in die Begabungsförderung von SchülerInnen, nein, dort wird auf ausreichend Pausen im Freien und spielerischen Unterricht gesetzt. Diese Kombination ermöglicht eine optimale Entwicklung der Kinder. Nationalparks müssen wegkommen vom rein konservierenden Gedanken, hin zu bestimmten Flächen, wo Kinder auch verändernd tätig werden können. Natürlich ist es sinnvoll bestimmte Flächen zu bewahren und vor Zutritten durch den Menschen zu schützen, allerdings reichen Verbotsschilder alleine nicht. RangerInnen sollen vermehrt auf die Hintergründe von Betretungsverboten hinweisen.

 

Zusammenfassend gesagt wirkt die Natur auf unterschiedlichen Ebenen und kann sich äußerst positiv auf die Entwicklung von Kindern auswirken. Deshalb raus aus dem Haus und rein in die Natur!